© Iris Nieland

Jede sinnvolle Gebietsreform muss von der Mehrheit der betroffenen Bürger mitgetragen werden.

Meine erste Rede vor dem rheinland-pfälzischen Landtag hielt ich am 22.6.2016. Es ging dabei um den Umgang mit den Bürgern und deren Beteiligung an Gesetzen, die über den Zusammenschluss ihrer Orte zu Verbandsgemeinden entscheiden.

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren!
Vor  uns  liegt  der  Entwurf  eines  Landesgesetzes  über  den  Zusammenschluss  der  Verbandsgemeinden Glan-Münchweiler, Schönenberg-Kübelberg und Waldmohr aus dem Landkreis Kusel. Bei der Betrachtung dieses Entwurfs lese ich über die Bürgerbeteiligung in einem zweistufigen  Verfahren.  In  der  ersten  Stufe  ist  von  der Beteiligung von 2.500 Personen aus Rheinland-Pfalz in Regionalkonferenzen die Rede. Offen bleibt, ob auch die Bürger aus dem Landkreis Kusel beteiligt waren. Weiter werden wir informiert, es handelte sich bei der sogenannten Bürgerbeteiligung auf Regionalkonferenzen um überwiegend kommunale Amtsträger. Auch Vertreter von Kammern, von gesellschaftlichen Organisationen wurden beteiligt. Was aber ist mit der Beteiligung von solchen Bürgern, die weder ein kommunaler Amtsträger sind noch einer Kammer oder Organisation angehören, Bürger also, die einfach einem mehrheitlich-üblichen Beruf nachgehen? Wir lesen weiter von der zweiten Stufe dieser Bürgerbeteiligung. Diese stützte sich auf eine landesweite repräsentative telefonische Umfrage unter 10.000 rheinland-pfälzischen Bürgerinnen und Bürgern sowie eine Online-Umfrage. Die Beteiligung an der telefonischen Umfrage erfolgte durch nach Zufallsstichproben ausgewählte Bürger. Ist das wirklich ein zielführendes Verfahren? Wurde wirklich ausreichend über das Verfahren informiert, damit die Befragten die Befindlichkeit der Bürger der neu zu gründenden Verbandsgemeinde kennen? Wir sind für alle da, sagt die Ministerpräsidentin. Doch ob  alle  Bürger  in  den  hier  zur  Beurteilung  stehenden Verbandsgemeinden sich so wahrgenommen finden? Ob sich also die Bürger gehört fühlen, wenn offenbar zufällig ausgewählte Dritte zu ihrem weiteren Schicksal befragt werden? Wie ist denn die mehrheitliche Meinung der betroffenen  Bürger  in  den  Gemeinden  Glan-Münchweiler, Schönenberg-Kübelberg und Waldmohr festgestellt worden? Darüber lese ich nichts.
(Beifall der AfD)
Ja, wenn ich hier lesen könnte, die betroffenen Bürger hätten sich in einer Befragung mehrheitlich für eine Lösung entschieden, dann würde ich das als gutes Beispiel für die Beteiligung von Bürgern an politischen Prozessen erkennen können. Aber so, nein. Es gilt, schönen Worten auch Taten folgen zu lassen. Es gilt also, auf deutlich verbesserte Möglichkeiten der Bürger hinzuwirken, auf politische Entscheidungen Einfluss zu nehmen. Das stärkt die Verbundenheit der Bürger mit der Demokratie und in diesem Fall auch die kommunale und regionale Identität.
(Beifall der AfD)
Ich frage mich: Gab es gar keine Einwände oder Hinweise in den betroffenen Gemeinden von den Bürgern, die ja sicher nicht nur im Gemeinderat über die Bedingungen ihres Zusammenlebens sprechen? – Einige Ortsgemeinderäte formulierten in ihren Ratsbeschlüssen einen Gedanken, der so lautet:
„Die Fusion scheint ja unausweichlich zu sein, und so stimmen wir denn zu.“ – Da lese ich eine Art stille Resignation. Eine Gemeinde, nämlich Bruchmühlbach-Miesau, hat den Versuch gewagt und Bürgerbefragung, Bürgerbegehren, Bürgerentscheid auf den Weg gebracht. Das Ergebnis ist eindeutig gegen einen Zuschlag zu einer anderen Verbandsgemeinde. Das Ergebnis des Bürgerentscheids vom August 2015
(Frau Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU: Es war kein Entscheid!)
gibt dem Willen Ausdruck, wir wollen selbstständig bleiben. Die Beurteilung des dokumentierten Bürgerwillens durch die Landesebene lautet allerdings wie folgt: „Die Verbandsgemeinde“ – also diejenige, die sich gegen die Fusion ausgesprochen hatte – „wird nicht um eine Gebietsänderung herumkommen.“ – So, genau so ist der gelebte Umgang hier im Land. Jede sinnvolle Gebietsreform muss für uns als notwendige Bedingung von der Mehrheit der betroffenen Bürger mitgetragen werden. Verhandlungen über die Bürger hinweg erteilen wir somit eine klare Absage.
(Beifall der AfD)
Wir werden dem Gesetzentwurf nur dann zustimmen, wenn nach hinreichender und nicht halbherziger Information der Bürger diese sich in Abstimmungen mehrheitlich dafür ausgesprochen haben.
Vielen Dank.
(Beifall der AfD – Zuruf der Frau Abg. Marlies Kohnle-Gros, CDU)

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