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Eine heiße Plenarsitzung und die Liste der verbotenen Worte

Wussten Sie, dass es in deutschen Parlamenten eine Liste der verbotenen Worte gibt?

Das “Handbuch für die parlamentarische Praxis” listet Begriffe auf, die während parlamentarischen Reden fielen und im Deutschen Bundestag mit einem Ordnungsruf oder einer Rüge bedacht wurden. Darunter finden sich solche Stilblüten wie “Betrüger”, “Brandstifter”, “Clown”, “Dreck”, “dumm”, “Hanswurst”, “Hetze”, “Lügner”, “Lump”, “scheinheilig”, “Pöbel”, “unverschämt” oder “verlogen”.

Laut der vorläufigen Geschäftsordnung des Landtags von Rheinland-Pfalz können “Redende, die die Würde oder die Ordnung des Hauses verletzen (…) vom Präsidenten gerügt oder mit Nennung des Namens zur Ordnung gerufen” werden, eventuell können sie sogar von der Plenarsitzung ausgesperrt werden.” (§ 39)

Nun sollte man meinen, dass es im Mainzer Landtag ungeheuer gesittet zugehen müsste. Doch weit gefehlt, wie ein Blick in das Protokoll der Plenarsitzung vom 25.1. und 26.1.2017 zeigt. In dieser unterstellte unter anderem der Abgeordnete von “Bündnis 90/Die Grünen” Dr. Bernhard Braun der AfD – unter Bezugnahme auf den Ausschluss einiger Journalisten vom Koblenzer ENF-Kongress – “rechts- und verfassungswidriges” Verhalten, ohne einen Beweis für diese Behauptung zu erbringen.

Der Zugang von einigen Journalisten zu der besagten Kongress-Räumlichkeit wurde auch in weiteren moralisierenden Redebeiträgen der Altparteien als eine Entscheidung für oder gegen die Demokratie dargestellt. Sehr amüsant war dabei die Rede von Julia Klöckner von der CDU, die ihre Abscheu vor so genannten “Rechtspopulisten” kaum zu verhehlen trachtete, aber im gleichen Atemzug äußerte: “Demokratie heißt eben auch Zumutung, Aushalten müssen, Meinungen und Berichterstattungen ertragen zu müssen, selbst wenn sie einem nicht passen.” Die Widersprüche in ihrer Argumentation schienen ihr nicht mal mehr aufzufallen. Die Doppelmoral, die seit langem das linke Lager dominiert, hat also längst auch die CDU ergriffen.

Während die linke Koalition und die CDU sich vor allem in der Selbstbeweihräucherung als demokratische Warner gefielen, fuhr der FDP-Abgeordnete Thomas Roth eine etwas andere Schiene. Er unterstellte der AfD nur zu “provozieren”, um dann von der Berichterstattung darüber zu “profitieren”. Nach dieser Argumentation hätte also der Nichteinlass von Journalisten eigentlich dazu gedient, die Berichterstattung zu fördern bzw. zu erleichtern? Schließlich wird der Presse ja erst das Thema geliefert, über das sie berichten kann. Eine interessante Logik. Aber hätte das Vorgehen der Veranstalter des ENF-Kongress dann nicht eine positive Funktion für das Pressewesen des Landes gehabt?

Nun steht es den Altparteien frei, wenn sie sich schon als alleinige Hüter von Demokratie und Pressefreiheit positionieren möchten, zum Beispiel ihre Fraktionssitzungen und Koalitionsverhandlungen zu öffnen. Das würde freien Zutritt nicht nur für politisch nahestehende Journalisten bzw. “angesehene Medien” (Thomas Roth, FDP) bedeuten, sondern für alle Bürger. Das wäre mal ein Zeichen für wahre Transparenz, das dann vermutlich auch der AfD-Fraktion wirklich zu denken geben würde. Alles andere, was in dieser Plenarsitzung aber gegen die AfD vorgebracht wurde, war vor allem von künstlicher Skandalisierung, Selbstprofilierung und vor allem unsachlichen Angriffen geprägt.

Julia Klöckner (CDU) nannte den Umgang der AfD mit den Medien “geschmacklos” und “pietätlos”.

Dr. Bernhard Braun (Bündnis 90/ Die Grünen) sagte über den AfD-Fraktionsvorsitzenden: “Herr Junge, aber in Diskriminierung kennen Sie sich ja aus. Da sind sie doch Spezialist.” Zudem nannte er Uwe Junge “feige” und dessen Haltung “erbärmlich”. Weiterhin äußerte er: “Wenn Sie (…) den Eid auf die Verfassung leisten, dann können Sie nicht nach dem Prinzip handeln, legal, illegal, scheißegal.”

Braun verwechselte dabei natürlich etwas. Der von ihm genutzte Spruch stammt nämlich aus der “Sponti”-Bewegung und war deshalb gerade bei Brauns “grünen” Parteigenossen sehr beliebt. Noch 2008 rief die damalige “grüne” Bundesvorsitzende Claudia Roth diesen Spruch bei einer Veranstaltung in die johlende Menge. Sollte Braun sich also plötzlich von der Geschichte seiner eigenen Partei distanzieren wollen oder hat er nur kurzfristig die Maske des Biedermannes aufgesetzt?

Staatsminister Roger Lewentz (SPD) rief Uwe Junge zu, er rede “Unsinn”. Zudem äußerte er über Uwe Junge: “Herr Junge, zu ihrem kruden Geschwafel will ich ausdrücklich sagen: Sie sind der gleiche geistige Brandstifter wie ihr Geisteskamerad Höcke.”

Uwe Junge erklärte dazu in einer Pressemitteilung: “Innenminister Roger Lewentz (SPD) hat am Mittwoch im rheinland-pfälzischen Landtag die Forderungen des AfD Vorsitzenden Uwe Junge Nach einer Verhaftungswelle von islamistischen Gefährdern als `krudes Geschwafel´ bezeichnet und in einen Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus gebracht und Junge selbst einen `politischen Brandstifter´ genannt. Es handelt sich hierbei sowohl um inhaltlich abwegige und schändliche Unterstellungen als auch einen unparlamentarischen Sprachgebrauch, der nach Übereinkunft aller Fraktionen im Parlament keinen Raum finden darf aber zunächst nicht geahndet wurde. Die AfD Fraktion hat daraufhin für die Zeit der Rede von Innenminister Lewentz geschlossen den Plenarsaal verlassen.”

Und, last but not least, Alexander Schweitzer von der SPD nannte Junge einen “feigen Politiker”.

Erinnern Sie sich an die oben erwähnte Liste der verbotenen Worte? Eine Rüge oder gar eine Aussperrung von der Plenarsitzung erfolgte übrigens gegenüber keiner der hier erwähnten Personen. Es sind ja auch lupenreine Demokraten und Hüter der Pressefreiheit.

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