
Historisches Selbstverständnis
Mein Fraktionskollege Martin Louis Schmidt hat am 30.1.2019 eine bemerkenswerte Rede vor dem Landtag gehalten. Es ging und die Europa- und vor allem um die Erinnerungspolitik.
Ich möchte darauf hinweisen.
In seiner Rede formulierte Schmidt drei Ziele für unser nötiges zukünftiges historisches Selbstverständnis. Zum Einen müsse die deutsche Nationalgeschichte von ihren Anfängen bis zur Gegenwart reichend verstanden werden, also in ihrer Vermittlung Tiefen, aber auch Höhen beinhalten. Zum anderen ist kollektive Verantwortung, die aus der Geschichte herrührt, zwar zu begrüßen, das Konstrukt einer kollektiven Schuld aber abzulehnen. Und zwar im Bezug auf die Deutschen wie aller anderen Völker. Zuletzt sollen historische Ereignisse in ihrer ganzen Bandbreite in Schulen, Medien und Politik vermittelt werden.
Schmidt äußerte: “Alle Opfer sind es wert, dass man sich ihrer erinnert, damit ihre Leiden nicht ganz umsonst waren und sie nicht in irgendwelchen völlig anonymen Statistiken entschwinden. Das gilt für die unermesslichen Qualen in den KZs der Nazis, es gilt für die Massenverbrechen im sowjetischen GuLag, die Untaten in den Stasi-Gefängnissen von Hohenschönhausen oder Bautzen sowie viele andere Zivilisationsbrüche rund um unseren Globus und zu allen Zeiten der Menschheitsgeschichte. (…) Ihre zutiefst traurigen Erzählungen, aber auch andere, schöne Momente kollektiven Glücks, herausragende Persönlichkeiten und weithin ausstrahlende historische Stätten gehören zu einem ganzheitlichen deutschen und nicht nur deutschen Geschichtsverständnis unabdingbar dazu. ”
In der Praxis aber hat gerade das Schicksal Mittel- und Osteuropas in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen viel zu geringen Aufmerksamkeitswert.
Schmidt zitiert den ungarischen Historiker Dr. Krisztian Ungvary:
“Leider haben westliche Intellektuelle mehr Deutungshoheit über die Geschichte und zeigen manchmal zu wenig Sensibilität für die Opfer des Kommunismus. Ein Demokrat müsste aber die gleiche Distanz zu allen Diktaturen behalten. Die Versuche, eine europäische Erinnerung zu schaffen, ohne die Interessen der Osteuropäer zu berücksichtigen, empfinde ich als geistige Kolonisation.”
Gerade deshalb hat die Aufstellung einer monumentalen Marx-Statue 2018 in Trier viele Osteuropäer irritiert. Landtagsausschüssen begegnete auf Fahrten nach Estland und Tschechien offene Kritik. Über den ignoranten Umgang mit unseren osteuropäischen Anrainer äußerte Martin Louis Schmidt: “Es mangelt gerade bei der regierungstragenden SPD-Fraktion ganz offensichtlich an Mitgefühl für unsere Nachbarn.”